Friedlicher Maidan (Sasha Maksymenko, CC BY 2.0)
Die Ukraine blickt auf eine komplexe und wechselvolle Geschichte zurück. Die ukrainische Geschichtsschreibung beginnt mit der Entstehung der Kyїver Rus' (Kiewer Rus), einer staatlichen Formation von slawischen Stämmen mit dem Zentrum in Kyїv. Die Kyїver Rus', von warägischen Fürsten gegründet, existierte von 880 bis zur Mitte des 12. Jhs. Als "goldene Epochen" der Kyїver Rus' gelten die Phasen unter der Herrschaft von Volodymyr Velykyj (Wladimir der Große, 980-1015), der die Rus 988 zum orthodoxen Glauben taufen ließ, und von Jaroslav Mudryj (Jaroslaw der Weise, 1019-1054), der als Erster die Gesetze der Rus' verschriftlichte. Zur damaligen Zeit stellte die Kyїver Rus' das größte Land auf dem europäischen Kontinent dar. In Kyїv, das auf dem "Handelsweg von den Warägern zu den Griechen" lag und eine relativ wohlhabende Stadt war, lebten unter der Herrschaft von Jaroslav des Weisen ca. 50.000 Menschen. Nach der Eroberung Kyїvs 1240 durch die Mongolen geriet der Osten der Ukraine unter Fremdherrschaft. Die zentralen Territorien gingen zum Großfürstentum Litauen und später zu Polen über. Unter litauischer Herrschaft blühte die ukrainische Sprache auf, doch verfiel sie wieder im Zug einer anschließenden starken Polonisierung. Bis zum 20. Jahrhundert waren die Territorien der heutigen Ukraine von Fremdherrschaften geprägt: Osmanisches Reich, ab dem 16. Jahrhundert Rzecz Pospolita, Russisches Zarenreich und Habsburger Monarchie. Während der Zwischenkriegszeit (1918-1939) gehörten Teile des Landes vier verschiedenen Staaten an (s.u.).
Kosakentum
Eine für die ukrainische Nationsbildung wichtige Epoche ist die Herrschaft der Kosaken, die ab dem 15. Jhd. das Becken des Flusses Dnipro kontrollierten und die "Zaporiz'ka Sič" gründeten. Die Kosaken führten mehrere Kriege zur Befreiung ukrainischer Territorien. Zwischen 1648 und 1654 gelang es der Kosakenarmee unter Führung von Bohdan Hmel'nyc'kyj gegen den Widerstand der polnischen-litauischen Adeligen einen eigenen Staat (Hetmanat) zu errichten. Um sich gegen die polnische Armee verteidigen zu können, ergab sich Hmel'nyc'kyj unter das Protektorat des russischen Zaren und unterschrieb 1654 den Vertrag von Perejaslav, der eine jahrhundertelange Dominanz des Russischen Imperiums zur Folge hatte. Das zaristische Russland führte auf dem Territorium der Ukraine eine starke Russifizierungspolitik ein (z.B. Emsker Ukas von 1876 über das Verbot der Schriften in ukrainischer Sprache durch den russischen Zar Alexander den Zweiten).
Eine weitere wichtige Periode stellt die erste Gründung des ukrainischen Staates 1918 dar. Nach dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges, der der Ukraine große Bevölkerungsverluste und wirtschaftliche Not einbrachte, nutzten viele mittel- und osteuropäische Länder die Gelegenheit, Nationalstaaten zu errichten. In der Ukraine scheiterte dieser Versuch jedoch und das wurde zwischen verschiedenen Ländern aufgeteilt. Die westlichen Territorien gehörten zu Polen, Rumänien und der Tschechoslowakei. Die Zentral- und Ostukraine wurden Sowjetrussland angeschlossen und waren seit 1922 als Ukrainische SSR Gründungsmitglied der Sowjetunion. Die 1920er Jahre waren in der Sowjetunion durch die Politik der "korenizacija", eine liberale Minderheitenpolitik, gekennzeichnet. In der ukrainischen Sowjetrepublik fand die sogenannte Ukrainisierung statt, eine kulturelle Wiedergeburt, in der sich eine ukrainische Nationalelite herausbilden konnte. Jedoch dauerte diese Phase nur bis Ende der 1920er Jahre und endete in stalinistischen Massenrepressionen gegen die ukrainischen Intellektuelle.
Holodomor (Hungersnot) 1932-33
Nach unterschiedlichen Angaben der Forschung kamen im Winter 1932/33 zwischen drei und sechs Millionen Ukrainer ums Leben, hervorgerufen durch eine Hungersnot, die durch die sowjetische Regierung künstlich – durch Beschlagnahmung und hohe Exportraten für Getreide und Lebensmittel – ausgelöst worden war. Die Hungersnot gehörte zu den "weißen Flecken" der ukrainischen Geschichte, über die erst nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion öffentlich debattiert werden durfte. 2006 wurde der Holodomor vom ukrainischen Parlament als "Genozid am ukrainischen Volk" anerkannt. In der Wissenschaft ist diese These nicht unumstritten.
Zweiter Weltkrieg und Nachkriegszeit
Die Ukraine war einer der Hauptschauplätze des Zweiten Weltkrieges und musste große menschliche und materielle Verluste verkraften. Kurz nach Kriegsbeginn und dem Angriff auf Polen durch die deutschen Truppen kam es in Folge des Hitler-Stalin-Pakts von 1939 zu einer sowjetischen Invasion des polnischen Teils der Ukraine (Ostgalizien). 1941 besetzten Truppen der deutsche Wehrmacht fast die gesamte Ukraine. Im Zweiten Weltkrieg wurde ein Großteil der ukrainischen Juden vernichtet. Nur 500.000 von ursprünglich 3 Mio. Juden auf dem ukrainischen Territorium haben den Krieg überlebt.
Nach dem Zweiten Weltkrieg kam es zu territorialen Zuwächsen: die Karpatho-Ukraine, Ostgalizien und die Nordbukowina fielen an die Sowjetunion bzw. an die Ukrainische SSR. 1954 wurde die Halbinsel Krim an die Ukraine übergeben. 2014 wurde die Krim durch die Russische Föderation annektiert. Teile der Gebiete Donecʾk und Luhansʾk wurden zu den sogenannten Volksrepubliken erklärt, werden aber völkerrechtlich nicht anerkannt.
Nach der Čornobyl-Katastrophe und im Zuge der „Perestrojka“-Bewegung verstärkten sich die Unabhängigkeitsbestrebungen und die nationale Bewegung in der Ukraine. Am 24. August 1991 proklamierte das Parlament der damaligen Ukrainischen Sowjetrepublik die Unabhängigkeit des Landes. Dieser stimmten im Dezember 1991 in einem landesweiten Referendum 90% der Bevölkerung zu. Zum ersten Präsidenten wurde Leonid Kravčuk gewählt, ein ehemaliges Mitglied der Kommunistischen Partei der Sowjetunion. 1994 wurde er von Leonid Kučma abgelöst, der bis 2004 im Amt blieb. Die Leistungen Kučmas sind ambivalent. Er forcierte zwar wirtschaftliche Reformen und erreichte dadurch ein Wachstum von durchschnittlich 7%. Doch ist seine Amtszeit durch Korruptionsskandale, Herausbildung der Oligarchie, Verschlechterung der Menschenrechte, die Unterdrückung der Pressefreiheit,Gewalt gegen Journalisten und Kritiker (“Fall Gongadze“) gekennzeichnet.
Orangene Revolution und danach
Die „Orangene Revolution“ war eine friedliche Protestbewegung in der Ukraine im Herbst 2004, die durch massive Wahlfälschungen bei den Präsidentschaftswahlen ausgelöst worden war. Nachdem der von Leonid Kučma unterstützte Kandidat Viktor Janukovyč im zweiten Wahlgang gegenüber dem Oppositionskandidaten Viktor Juščenko zum Sieger erklärt worden war, obwohl die sogenannten Exit-Polls (Befragung am Wahltag) für Juščenko einen Vorsprung von über 10% ergaben, begannen Ende November die Massenproteste auf dem Zentralplatz Maidan Nezaležnosti in Kiew. Viktor Juščenko und Julia Tymošenko avancierten zu den tragenden Figuren der Orangenen Revolution. Die Protestierenden verlangten die Wiederholung der Stichwahl, die am 26. Dezember stattfand. Als Sieger ging Juščenko hervor, und er trat seinen Dienst am 23. Januar 2005 als Präsident der Ukraine an. Die Amtszeit von Juščenko wird von Experten ambivalent eingeschätzt.
Recht und Ordnung
Das politische System der Ukraine basiert auf einem präsidentiell-parlamentarischen Regierungsordnung. Die Legislative wird durch die Verkhovna Rada, das ukrainische Parlament repräsentiert. Der Präsident und die Regierung bilden die Exekutive. Der Staatspräsident verfügt über weitreichende Befugnisse und kann den Ministerpräsidenten oder einzelne Minister gegen den Willen der Parlamentsmehrheit entlassen. Auch die direkte Wahl durch das Volk verleiht dem Präsidenten eine starke Stellung. Die Judikative wird durch das Verfassungsgericht und das Oberste Gericht der Ukraine repräsentiert.
Verfassung
Der Entwurf über die ukrainische Verfassung wurde am 28. Juni 1996 durch die Verhovna Rada (ukrainisches Parlament) angenommen. Der 28. Juni ist ein offizieller Feiertag in der Ukraine. Die Grundlage der ukrainischen Verfassung sind Menschenrechte. Sie basiert auf vier Prinzipien: Rechtsstaatlichkeit, Demokratie, Gewaltenteilung und Volkssouverinität. Der Artikel 1 lautet wie folgt: "Die Ukraine ist ein souveräner und unabhängiger, demokratischer, sozialer, den Gesetzen verpflichteter Staat".
Die Ukraine wurde bis zur Maidanrevolution 2014 zentralistisch regiert. Am 1. April 2014 wurde ein Gesetz zur Dezentralisierung vom Parlament verabschiedet. Das Gesetz sieht vor, mehr Befugnisse an die Regionen zu delegieren. Die Dezentralisierungsreform wird durch die Europäische Union, Dänemark, Estland, Polen, Schweden und Deutschland (GIZ) unterstützt.
Administrative Teilung
Die Ukraine ist in 24 Verwaltungsgebiete (oblast') aufgeteilt: Kyїv oblast', Vinnycja, Volyn', Dnipropetrovs'k, Donec'k, Žytomyr, Zakarpattja, Zaporižžja, Ivano-Frankivs'k, Kirovohrad, Luhans'k, L'viv, Mykolaїv, Odesa, Poltava, Rivne, Sumy, Ternopil', Harkiv, Herson, Hmel'nyc'kyj, Čerkasy, Černivci, Černihiv. Weitere politische Einheiten bilden die Städte Kyїv (Hauptstadt) und formell Sevastopol' sowie die Autonome Republik Krim, die von Russland im März 2014 annektiert wurden.
Im November 2013 verweigerte der damalige Präsident Viktor Janukovyč seine Unterschrift für das lange geplante Assoziierungsabkommen zwischen der Ukraine und der EU. Das Scheitern des Assoziierungsabkommens rief in Kiew Ende November 2013 friedliche Studentenproteste hervor, die von den ukrainischen Sondereinheiten der Polizei gewaltsam aufgelöst wurden. Der Studentenprotest war der Anfang mehrmonatiger Demonstrationen in der ganzen Ukraine gegen das kleptokratische Regimes von Janukovyč. Im Februar 2014 eskalierten die Auseinandersetzungen zwischen den Demonstranten und Sicherheitskräften. Über hundert Demonstranten wurden in Kiew erschossen. Janukovyč setzte sich in einer heimlichen Aktion über die Krim nach Russland ab, wo er sich bis heute aufhält. Eine Interimsregierung wurde gebildet.
Ende Februar 2014 tauchten auf der Krim Militärkräfte der russischen Armee ohne Abzeichen, die sogenannten „grünen Männchen“, auf. Sie besetzten und lösten das Parlament der Autonomen Krimrepublik auf und veranstalteten am 16. März 2014 ein Referendum über den Status der Krim. In dem illegitimen Referendum äußerten sich angeblich 95,5% der Wähler für den Anschluss an Russland. Die Krimtataren boykottierten die Wahlen. Am 18. März 2014 wurde der Vertrag unterschrieben, der die völkerrechtswidrige Annexion der Krim durch die Russländische Föderation festsetzte.
Im April 2014 tauchten die schwer bewaffneten „grünen Männchen“ auch in den ostukrainischen Städten Donecʾk und Luhansʾk auf, besetzten zusammen mit örtlichen Separatisten die Verwaltungsgebäude und proklamierten die „Luhansʾker und Donecʾker Volksrepubliken“. Als Legitimation wurden im Mai 2014 rechtswidrige Referenden durchgeführt, in denen sich die sogenannten Republiken für die Unabhängigkeit entschieden. Am 14. April 2014 startete die ukrainische Regierung die Antiterroristische Operation (ATO) gegen die Separatisten und es entstand eine massive militärische Auseinandersetzung. Die EU, insbesondere Deutschland und Frankreich, engagierten sich als Verhandlungsparteien bei den Treffen mit der russischen Seite und dem ukrainischen Präsidenten Porošenko im September 2014 und Februar 2015 in Minsk mit dem Ziel, u.a. eine Waffenruhe in der Ukraine zu erreichen. Bis heute wird die Waffenruhe im Donbas nicht eingehalten. Regelmäßige Waffenlieferungen aus Russland und die Präsenz der russischen Armeeangehörigen sowie Freiwilliger verhindern Fortschritte in der Umsetzung der Minsker Vereinbarungen. Bis heute (März 2017) starben im Donbas laut UNO über 10.000 Soldaten und Zivilisten auf ukrainischer Seite. Die Zahl der Toten auf prorussischer Seite ist unbekannt oder wird von den russischen offiziellen Stellen verheimlicht. Der Krieg im Donbas löste eine große Flüchtlingsbewegung im Landesinneren aus. 2016 registrierte das ukrainische Ministerium für Sozialpolitik 1,79 Mio. Binnenflüchtlinge aus der Krim und der Donbas-Region.
Am 25. Mai 2014 fanden in der Ukraine vorgezogene Präsidentschaftswahlen und am 26. Oktober Parlamentswahlen statt, aus denen pro-europäische Parteien als stärkste Kraft hervorgingen. Seit Mai 2014 ist Petro Porošenko der ukrainische Präsident.
Die ukrainische Verhovna Rada ist ein Einkammerparlament und besteht normalerweise aus 450 Sitzen. Gegenwärtig sind 422 Abgeordnete vertreten (Vertreter der Krim und der besetzten Gebiete fehlen). Die Legislaturperiode beträgt fünf Jahre. In der Ukraine gilt das Mehrheits- und Verhältniswahlrecht: die eine Hälfte der Sitze wird nach den Parteilisten verteilt (es gilt eine 5%-Hürde) und die andere Hälfte durch Direktmandate. Die Regierungskoalition im jetzigen Parlament bilden Block Petro Porošenko (142 Sitze) und Volksfront (81 Sitze). Samopomič (Selbsthilfe, 26), Radikale Partei (21) und Batʾkivščyna (Vors. Julija Tymošenko, 19) verließen Anfang 2016 die Koalition. In der Opposition befinden sich Oppositionsblock (ehem. Partei der Regionen, 43), Volja narodu (Volkswille, 20) und Vidrodžennja (Wiedergeburt, 22). 53 Abgeordnete gehören keiner Partei an. Das Ministerkabinett wurde im Dezember 2014 vom Parlament bestätigt, das aus einem Premierminister und neunzehn Ministern besteht. Arsenij Jacenjuk wurde als Premierminister im November 2014 gewählt. Konflikte zwischen Regierung und Parlament und auch innerhalb der Regierung brachen ab Mitte Februar 2016 offen aus. Ein Misstrauensantrag gegen Jacenjuk scheiterte zwar, doch die Regierung zerfiel. Ein Grund für die Krise war auch eine zunehmende Entfremdung zwischen den politischen Eliten und der Zivilgesellschaft, die maßgeblich am Umsturz des alten Systems beteiligt war und nun wenige Fortschritte im Regierungshandeln sah. Am 10. April 2016 erklärte Jacenjuk seinen Rücktritt. Am 14. April 2016 wurde der 38-jährige Volodymyr Grojsman vom Block Petro Porošenko mit 257 Stimmen zum jüngsten Ministerpräsidenten in der Geschichte der Ukraine gewählt. Grojsman stellte am selben Tag sein Kabinett vor.
Eine wichtige Rolle im ukrainischen Demokratisierungsprozess spielen neu gegründete Parteien, wie z.B. "Democratic Alliance", die aus liberalen proeuropäischen Kräften besteht.
Reformen in der Ukraine
Eine der zentralen Forderungen des Maidans waren Reformen. Die Ukraine benötigt dringend Reformen des politischen und wirtschaftlichen Sektors, um einen demokratischen Rechtsstaat aufzubauen. Die Reform der Justiz und die Bekämpfung der Korruption, die Steuerreform, Reformen im Agrarsektor, Dezentralisierung, Verwaltungs- und Verfassungsreformen sind nur einige der Reformen, die auf der Agenda der gegenwärtigen Regierung stehen. Im Rahmen des EU-Assoziierungsabkommens und der Verträge mit dem IWF verpflichtete sich die Ukraine, den Reformprozess umzusetzen. Obwohl bereits erste positive Ergebnisse des Prozesses sichtbar werden, geht der Reformprozess, der unter erschwerten Bedingungen aufgrund des Kriegs im Osten und der wirtschaftliche Krise verläuft, auch drei Jahre nach dem Maidan nur schleppend voran. Bei ihrem Kyïver Besuch im Februar 2016 forderten der deutsche und französische Außenminister die ukrainische Regierung dazu auf, den Reformprozess zu beschleunigen und effektiv umzusetzen.
Krieg im Osten
Nach der Annexion der Krim durch die Russländische Föderation führt nun die Ukraine seit April 2014 Kämpfe gegen prorussische und durch das russische Militär unterstütze Separatisten in den Gebieten Donec'k und Luhans'k (offiziell: Antiterroristische Operation, ATO). Bereits im März 2014, nach dem Euromaidan und der Flucht von Janukovyč, fanden pro-ukrainische und pro-russische Demonstrationen im Osten der Ukraine statt, die Todesopfer und zahlreiche Verletzte forderten. Zu dieser Zeit wurden Stimmen nach einer Föderalisierung der Ukraine, zumeist von Seiten der Partei der Regionen, laut. Ende März forderten prorussische Demonstranten in Donec'k und Luhans'k ein Referendum zum Anschluss an Russland, daraufhin folgten Besetzungen der Gebietsverwaltungen, auf denen die russischen Fahnen gehisst wurden. Um sich über die Lage im Osten und Süden des Landes zu informieren, wurde eine OSZE-Beobachtermission in die Ukraine entsandt.
Am 7. April 2014 wurde die Volksrepublik Donec'k vom selbsternannten Gouverneur und ehemaligen Mitglied der neonazistischen Partei „Russische Nationale Einheit“ Pavel Gubarev ausgerufen. Nach diesem Vorbild wurde am 27. April 2014 die Volksrepublik Luhans'k mit dem selbsternannten Gouverneur Valeri Bolotov proklamiert. Beide international nicht anerkannte Republiken führten im Mai 2014 als Legitimation Referenden durch und erklärten den Wunsch, in die Russische Föderation aufgenommen zu werden.
Als Reaktion auf die Besetzung der Städte Slawjans' k, Kramators'k, Horlivka und Mariupol' (die mittlerweile durch die ukrainische Armee befreit worden sind) durch die Separatisten startete die ukrainische Regierung am 15. April 2014 eine Antiterroristische Operation (ATO), die bis in die Gegenwart andauert und der nicht nur die regulären Truppen der ukrainischen Armee, sondern mehrere freiwillige Einheiten angehören. Seit Beginn der ATO verdichteten sich immer wieder die Indizien dafür, dass Russland die Separatisten im Osten mit Waffen und Söldnern unterstützt.
In der fortschreitenden Eskalation des Konflikts wurden immer professionellere und schwerere Waffen eingesetzt. Mehrere Hubschrauber und Flugzeuge der ukrainischen Armee wurden abgeschossen. Am 17. Juli 2014 wurde das Passagierflugzeug MH17 der Malaysian Airlines, das von Amsterdam nach Kuala Lumpur startete, nahe der Stadt Tores im Gebiet Donec'k abgeschossen. Viele Indizien weisen darauf hin, dass prorussische Rebellen, die Boden-Luft-Raketen-Systeme „Buk“ besaßen, das Flugzeug versehentlich abgeschossen haben. Prorussische Terroristen behinderten mehrere Tage die Inspektion des Unglückortes durch eine OSZE-Delegation sowie die Bergungsarbeiten. Die internationalen Untersuchungen zu den Gründen des Absturzes dauern jedoch bis in die Gegenwart an. Als Reaktion auf den Abschuss des MH17 verhängten die EU und die USA am 22. Juli 2014 die zweite Stufe der Sanktionen gegen Russland. Im Juli und Anfang August 2014, nach der vom Präsidenten Porošenko vorgeschlagenen Waffenruhe, wurde die ATO fortgesetzt. Anfang August gelang es der ukrainischen Armee nach schweren Kämpfen, zahlreiche Ortschaften zurückzuerobern.
Seit dem Beginn des Krieges sind über 2000 ukrainische Soldaten und Freiwillige umgekommen. Auch die zivile Bevölkerung leidet schwer unter dem Krieg und zählt über 7000 Opfer. Wie die UNO berichtet, befindet sich über 1.5 Mio. Menschen auf der Flucht.
Alle internationalen Bemühungen zur Deeskalation der Krise im Osten der Ukraine, wie z.B. die Genfer Gespräche, multilateralen Gesprächen sowie runden Tische in der Ukraine blieben bis in die Gegenwart erfolglos.
Das offizielle Russland bestritt bis vor kurzem die Präsenz seines Militärs auf dem ukrainischen Territorium und die Verwicklung im Ukraine-Konflikt. Russland führt nach Einschätzung von allen seriösen Beobachtern einen unerklärten oft als "hybrid" bezeichneten Krieg gegen die Ukraine. Putin und seine politische Umgebung inszenierten sich zuletzt Mitte August als Friedensstifter, indem sie einen „Hilfskonvoi“ aus ca. 300 Lastwagen in die Ukraine schickten. Die ukrainische Führung befürchtete die getarnte Invasion bzw. erneute Waffenlieferungen an Rebellen und willigte die Einfuhr der sogenannten Hilfsgüter aus Russland erst nach der Überprüfung durch das Rote Kreuz ein. Dennoch passierte der Konvoi zum großen Teil ohne Einwilligung des ukrainischen Zolls die Grenze und kehrte nach einigen Tagen zurück nach Russland. Nach der Verhaftung russischer Fallschirmjäger, die sich angeblich auf ukrainisches Territorium verirrt hatten, sprach die deutsche Regierung am 28. August 2014 zum ersten Mal von einer militärischen Intervention Russlands. Am 31. August 2014 verlangte Putin Verhandlungen über die Eigenstaatlichkeit „Neurusslands“, wie der Süden und der Osten der Ukraine durch die russische Führung bezeichnet wird.
Am 5. September 2014 wurde von der trilateralen Kontaktgruppe (Ukraine, Russland und OSZE) das Protokoll von Minsk unterschrieben, das u.a. eine Waffenruhe vorsah, die jedoch nicht hielt. Bereits am 28. September 2014 begann die militärische Auseinandersetzung um den Flughafen Donezk zwischen den ukrainischen Armeeeinheiten und den Separatisten, die von der russischen Seite mit Waffen und Personal unterstützt wurden.
Nachdem sich die militärische Lage extrem verschärft hatte, kamen am 12. Februar 2015 Bundeskanzlerin Angela Merkel und die Regierungschefs aus Frankreich, Russland und der Ukraine erneut nach Minsk, um der Gewalteskalation im Donbas ein Ende zu setzen. Die Vereinbarungen von Minsk 2 umfassen eine Waffenruhe, Austausch von Gefangenen, Abzug von schweren Waffen, Errichtung einer Pufferzone, Abzug von Söldnern, Durchführung von Kommunalwahlen und Anerkennung der Autonomie der okkupierten Territorien sowie die Überwachung des Gebietes durch die OSZE.
Auch 2017 geht der hybride Krieg Russlands weiter. Es kommen russische Armeeeinheiten im Osten der Ukraine zum Einsatz. Eine materielle und militärische Unterstützung geschieht auch durch die sogenannten Hilfskonvois. Ebenso hält eine massive politisch gesteuerte Propaganda an.
Angesichts der Beteiligung Russlands an den militärischen Auseinandersetzung im Osten der Ukraine, der Krimannexion und der vorsätzlichen Destabilisierung eines unabhängigen Nachbarlandes hat die EU restriktive Wirtschaftssanktionen gegen Russland verhängt. Die EU bewertet die Umsetzung der Minsker Vereinbarung durch Russland weiterhin negativ und hat die Sanktionen zuletzt am 18.03.2018 um weitere sechs Monate bis zum 15.09.2018 verlängert.
EUROMAIDAN_Chronik der Ereignisse
Am 24. November 2013 kam es in Kiew zur größten Demonstration seit der Orangenen Revolution, an der 150.000 Menschen teilnahmen. In den Tagen vor dem Vilnius-Gipfel fanden zahlreiche Studentenstreiks statt. Die Opposition mit Vitalij Klitschko (Partei Udar), Arsenij Jacenjuk (Partei Bat'kivščyna) und Oleh Tjahnybok (Partei Svoboda) an der Spitze organisierte Kundgebungen auf dem Maidan in Kiew und sprach jeden Abend zu den Protestierenden. In der Nacht vom 30. November auf den 1. Dezember 2013 findet eine gewaltsame Räumung durch die berüchtigte Sondereinheit Berkut (Steinadler) des Innenministeriums statt. Ca. 400 Protestierende, vorwiegend Studenten, wurden brutal zusammen geschlagen, Gummistöcke und Tränengas kamen zum Einsatz. Mehrere Aktivisten, aber auch Passanten, die sich zufällig auf den Straßen befanden, wurden inhaftiert. Die Informationen über das gewalttätige Vorgehen gegen friedliche Demonstranten lösten Massendemonstrationen in weiten Teilen des Landes aus (500.000 Menschen nahmen am Protestmarsch allein in Kiew teil) und verbreiteten sich sehr schnell über soziale Netzwerke. Die oppositionellen Politiker gründeten den Stab des nationalen Widerstandes. Protestierende besetzten den zentralen Platz der Hauptstadt, errichteten Barrikaden und bauten Zelte und diverse Selbstversorgungspunkte auf (Notdienst, Kantine, Teeküchen etc.). Von diesem Zeitpunkt an besetzen sie den zentralen Platz in Kiew und mehrere Regierungs- und Verwaltungsgebäude wie das Kiewer Rathaus, das Haus der Gewerkschaften, das Ukrainische Haus, das Justizministerium für die ganze Zeit der Proteste.
Der damalige Ministerpräsident Azarov veröffentlichte am 21. November 2013 den von Janukovyč bewilligten Beschluss über die Nichtunterzeichnung des Assoziierungsabkommens mit der EU auf dem Gipfel in Vilnius Ende November 2013. Die Ablehnung eines über Jahre ausgehandelten Abkommens steht im direkten Zusammenhang mit dem starken wirtschaftlichen Druck Moskaus. Die Abkehr von der europäischen Integration und die von der ukrainischen Regierung proklamierte Annäherung an Russland löst eine starke Protestbewegung aus. Die ersten Demonstrationen fanden auf dem Maidan Nezaležnosti (Platz der Unabhängigkeit) in Kiew und größeren Städten der Ukraine bereits am Abend des 21. November statt und wuchsen sukzessive im ganzen Land. Diese zunächst friedliche Bürgerbewegung bekam schnell den Namen Euromaidan.
Am 3. Dezember scheiterte im ukrainischen Parlament das Misstrauensvotum gegen die Regierung Azarov. Azarov, der für seine prorussische Haltung und antieuropäische, rassistische, homophobe und chauvinistische Äußerungen bekannt war, zog sich am 28. Januar 2014 vom Amt des Ministerpräsidenten zurück. Obwohl er eine starke antieuropäische Stimmung verbreitete, flog er zunächst nach Wien, wo sein Sohn und seine Schwiegertochter einige Unternehmen führen.
Am 4. Dezember besuchte der damalige deutsche Außenminister Guido Westerwelle den Maidan und verkündete seine Solidarität mit den Protestierenden.
Am 8. Dezember 2013 stürmten vermummte Polizeieinheiten das Büro der oppositionellen Partei Bat'kivščyna (Partei von Jacenjuk und Tymošenko) und konfiszierten den Server und Computer.
Auf der am gleichen Tag stattfindenden und bis dahin größten friedlichen Demonstration („Marsch der Millionen“) gegen Janukovyč und sein korruptes Regime wurde das Lenin-Denkmal in Kiew gestürzt und zerschlagen. Anschließend werden im ganzen Land Lenin-Statuen als Symbol des alten Regimes demontiert. Die Proteste weiten sich auf viele Städte und Regionen der Ukraine aus.
Am 10. Dezember berät das Europäische Parlament über die Situation in der Ukraine. Die Hohe Vertreterin der EU für Außen- und Sicherheitspolitik Catherine Ashton bricht nach Kiew auf.
Vom 10. auf den 11. Dezember eskaliert wiederum die Gewalt zwischen den Demonstranten und der Polizei, die von angeheuerten Schlägertruppen(titušky) unterstützt werden. Am 11. Dezember stimmt Janukovyč einem Runden Tisch mit der Opposition zu, der am folgenden Tag stattfindet, jedoch ohne Ergebnisse bleibt.
Am 17. Dezember reist Janukovyč erneut nach Russland, um Putin zu treffen. Die beiden einigen sich auf die Senkung des Gaspreises (was jederzeit revidiert werden kann) und auf einen Kredit in Höhe von 15 Mrd. US-Dollar. Inzwischen mobilisieren sich immer mehr Protestierende auf dem Maidan und den umliegenden Straßen und harren bei Temperaturen bis minus 29 Grad aus.
Der Euromaidan wächst weiter. Aus mehreren Regionen der Ukraine kommen Menschen und bleiben auf dem zentralen Platz der Hauptstadt.
Die ukrainische Journalistin Tetjana Čornovil, die zu den korrupten Machenschaften und zur gigantischen Bereicherung von Janukovyč, seiner Familienmitglieder sowie seiner Clique recherchiert hatte, wird in der Nacht zum 25. Dezember brutal zusammengeschlagen.
In der Silvesternacht feiern Hundertausende Ukrainer ihre Revolution auf dem Maidan. Die Machthabenden versuchen mit allen Mitteln, die Proteste zu diskreditieren, u.a. durch Panikmache, durch gezielte Kampagnen in der Presse wie z.B. Behauptungen, dass der Maidan von ausschließlich von Rechtsradikalen organisiert wird, durch Anschuldigungen des Antisemitismus usw.
Am 29. Dezember formiert sich die Bewegung Automaidan – ein Protestzug mit Autos. Eine Autokolonne fährt Richtung Mežyhirja – den Präsidentenpalast, 25km von Kiew entfernt.
Am 12. Januar findet eine von den Machthabenden organisierte Kundgebung „Für die Ordnung“ statt, die sich vorwiegend aus jungen sportlich trainierten Männern zusammensetzt.
Am 16. Januar 2014 verabschiedet die Verhovna Rada innerhalb von 30 Minuten und mit der Mehrheit der Abgeordneten aus der Partei der Regionen und der Kommunistischen Partei antidemokratische Gesetze, die das Meinungs-, Presse- und Demonstrationsrecht massiv einschränken. Die EU und die USA kritisieren die vom Präsidenten am 17. Januar unterschriebene Gesetze scharf. Die Gewalt in Kiew eskaliert wieder. Die Berkut-Einheiten versuchen immer wieder, die Barrikaden auf dem Maidan zu stürmen, Molotowcocktails und Steine fliegen. Die Gruppen „Samooborona“ (Selbstverteidigung) und „Pravyj sektor“ (Rechter Sektor) verteidigen die Barrikaden. Die Miliz, die Spezialeinheit Berkut und die sogenannten titušky verschleppen Menschen direkt von der Straße. Verletzte werden aus den Krankenhäusern gekidnappt.
Am 21. Januar werden zwei Aktivisten des Maidan, Ihor Lucenko und Juri Verbyckyj, von Maskierten aus dem Krankenhaus in einen Wald bei Kiew verschleppt. Die beiden Aktivisten werden geschlagen und gefoltert. Verbyckyj stirbt und Lucenko überlebt schwerverletzt. Die Proteste dauern am 22. Januar in der Hruševskohostrasse an. Es werden Waffen und ein Wasserwerfer bei Minusgraden eingesetzt. Die Sanitäter berichten von fünf Toten auf dem Maidan. Die USA verhängt ein Einreiseverbot für einige Regierungsbeamte, während Russland die Demonstranten als „Extremisten“ bezeichnet und für die Eskalation der Gewalt beschuldigt.
Am 23. Januar nimmt die Opposition wieder Verhandlungen mit Janukovyč auf. Abends verkündet Vitali Klitschko, dass der Präsident bereit ist, die gefangenen Demonstranten freizulassen. An diesem Tag verschwindet der Aktivist des Automaidan Dmytro Bulatov.
Am 23. Januar taucht zunächst im ukrainischen Internet ein Video auf, auf dem eine Berkut-Einheit einen jungen Gefangenen nackt bei Minusgraden fotografiert, schikaniert und demütigt. Das brutale Vorgehen der Sondereinheit gegen Demonstranten wird im Netz veröffentlicht. Dort kursieren Videos, wie die Uniformierten Demonstranten mit Knüppeln schlagen, mit Füssen treten, bis sie ohnmächtig liegen bleiben.
Am 24. Januar breiten sich die Proteste im Westen und der Zentralukraine aus. Mehrere Gebiets- und Stadtverwaltungen werden besetzt, die Funktionäre in Lviv weigern sich, die Gesetze vom 16. Januar umzusetzen. In Kiew besetzen die Demonstranten das Landwirtschaftsministerium. Die Miliz verhaftet weiterhin die Verletzten direkt in den Krankenhäusern.
Am 25. Januar besetzen die Berkut-Einheiten das Ukrainische Haus, das sich direkt neben der Hruševskohostrasse befindet. Janukovyč schlägt Arsenij Jacenjuk vor, den zu diesem Zeitpunkt noch von Azarov besetzten Posten des Premierministers zu übernehmen, was Jacenjuk jedoch ablehnt.
Am 26. Januar finden mehrere Demonstrationen gegen die Macht im Osten der Ukraine statt. In Zaporižžja wird die Kundgebung gewaltsam aufgelöst. Mehrere Schlägertruppen schlagen, geschützt von Milizen, Protestierende und Journalisten zusammen.
Am 28. Januar nimmt das Parlament teilweise die Gesetze vom 16. Januar zurück. Azarov tritt zurück und begibt sich nach Wien, als Interimspremier wird sein Stellvertreter Serhij Arbuzov, ein enger Vertrauter Janukovyčs, ernannt. Jacenjuk und Klitschko kündigen an, sich nicht an der Regierung unter Janukovyč beteiligen zu wollen.
Am 29. Januar wird im Parlament das Gesetz zur Amnestie der friedlich Protestierenden verabschiedet, allerdings unter der Bedingung, dass alle besetzten Gebäude sowie Straßen geräumt werden. Janukovyč erscheint persönlich im Parlament, um Druck auf seine Partei der Regionen auszuüben. Die Medien berichtet, dass er damit drohte, das Parlament aufzulösen. Die Opposition besteht auf bedingungsloser Amnestie aller Gefangenen.
Am 30. Januar taucht der Organisator des Automaidan Dmytro Bulatov auf, allerdings schwer verletzt, mit Hämatomen am ganzen Körper, ein Stück seines rechten Ohres fehlt. Er berichtet über permanente Folter. Die Parlamentarische Versammlung des Europarates verabschiedet die Resolution zur Situation in der Ukraine, in der sie Sanktionen gegen das Land im April erwägt.
Am 31. Januar taucht im Internet ein Video auf, das Schüsse mit scharfer Munition auf Demonstranten durch die Spezialeinheiten belegt.
Am 1. Februar 2014 treten auf der 50. Münchener Sicherheitskonferenz die Oppositionspolitiker Arsenij Jacenjuk und Vitali Klitschko auf. Klitschko kündigt die Fortsetzung der Proteste an und macht für die Eskalation der Gewalt die Machthabenden in der Ukraine verantwortlich.
Am 4. Februar wird im Parlament die Rückkehr zur Verfassung von 2004 diskutiert, die die Rechte des Präsidenten stark einschränkt. Die Opposition blockiert das Parlament. Catherine Ashton berichtet, dass die EU gemeinsam mit den USA eine finanzielle Unterstützung für die Ukraine planen.
Am 8. Februar leitet der ukrainische Sicherheitsdienst ein Verfahren gegen die Opposition wegen eines Umsturzversuches ein. Das ukrainische Innenministerium eröffnet ein Verfahren wegen Geldwäsche gegen die den Maidan koordinierende NGO Zentr UA.
Die Lage in Kiew bleibt angespannt. Die Organisation des Maidan berichtet von vielen Verletzten und Verschleppten. Auf den Straßen von Kiew befinden sich zahlreiche titušky-Gruppen.
Am 11. Februar verabschiedet der US-Kongress eine Resolution zur Ukraine, die im Fall der weiter andauernden Gewalt Sanktionen gegen die ukrainische Regierung vorsieht.
Am 12. Februar ruft Klitschko zum allukrainischen Warnstreik auf, der am 13. Februar abgehalten wird.
Am 14. Februar wird die Untersuchungshaft vieler Aktivisten in einen Hausarrest umgewandelt, woraufhin der Generalstaatsanwalt Viktor Pšonka fordert, die Regierungsgebäude und Straßen zu räumen. Am 15. Februar erklärt Jacenjuk im Namen der neu gegründeten Allianz „Maidan“, dass der Maidan weiter bestehen würde. Jedoch bauen die Protestierenden einige Barrikaden ab und räumen die Kiewer Stadtverwaltung. In den Gebieten werden die Verwaltungen wieder übergeben.
Am 16. Februar kündigt der Vorsitzende der Svoboda-Partei Oleh Tjahnybok an, vor der Verkhovna Rada am 18. Februar zu demonstrieren.
Am 17. Februar treffen Klitschko und Jacenjuk in Berlin mit Bundeskanzlerin Angela Merkel zusammen, die Finanzhilfen für die Ukraine ankündigt.
Am 18. Februar überschlagen sich die Ereignisse. Ca. 20.000 Demonstranten bewegen sich Richtung Parlament, wo die Rückkehr zur Verfassung von 2004 verabschiedet werden soll. Der Parlamentssprecher Volodymyr Rybak weigert sich, den Gesetzesentwurf der Opposition auf die Tagesordnung zu stellen. Diese Nachricht erreicht die Demonstranten, daraufhin versuchen einige, die Milizketten zu durchbrechen. Die Gewalt eskaliert, die Miliz- und Berkut-Einheiten setzen Tränengas ein, werfen Granaten und schießen mit scharfer Munition. Auf dem Dach des mehrstöckigen Hotels „Ukraïna“ beziehen Scharfschützen Stellung. Die Demonstranten verteidigen sich, werfen mit Steinen und Molotowcocktails, der Rechte Sektor ruft alle Waffenbesitzer des Maidan zur Selbstverteidigung auf. Am Nachmittag rücken die Sicherheitskräfte mit Militärtechnik und Wasserwerfern zum Europäischen Platz (Nähe des Maidan) vor, besetzen das Ukrainische Haus und das Gewerkschaftshaus und stecken dieses in Brand. An diesem Tag werden 20 Tote und über 500 Verletzte gemeldet. Janukovyč ist weder für die Oppositionellen noch für internationale Regierungschefs nicht zu erreichen.
In der Nacht auf den 19. Februar werden die Kämpfe zwischen den Spezialeinheiten und ca. 20.000 Demonstranten auf Majdan fortgesetzt. Das Haus der Gewerkschaften steht in Flammen, Menschen retten sich über die Fenster. Es gibt die ersten Berichte über die Scharfschützen, die sich auf Hochhäusern über Majdan positionierten und gezielt auf Zivilisten schießen. Am 19. Februar werden zusätzliche 30 Tote gemeldet. Es gibt auch Berichte über die sogenannten titušky, die auf den Strassen von Kiew auf Menschen schießen. Der ukrainische Sicherheitsdienst SBU leitet eine „antiterroristische Aktion“ ein. Janukovič trifft Jacenjuk und Klitschko, die zunächst erklären, dass das Treffen erfolglos verlief. Abends berichtet Jacenjuk, dass ein Waffenstillstand vereinbart wurde. Im ganzen Land werden die Gebäude des SBU besetzt. Der EU-Ratspräsident Van Rompey und der Außenminister Deutschlands Frank-Walter Steinmeier drohen mit Sanktionen, die am 20. Februar gegen einige Politiker aus der Umgebung Janukovyčs verhängt werden. Mehrere Mitglieder der Partei der Regionen verlassen die Partei.
Am 20. Februar gehen die Auseinandersetzungen weiter. Die Scharfschützen ermorden ca. 30 Menschen auf Maidan. Im Hotel „Ukraïna“ und im Kloster „Myhajlivs'kyj sobor“ werden die Toten aufgebahrt. Der Innenminister Zaharčenko beharrt auf dem Waffeneinsatz gegen „Extremisten“. Die Opposition ruft alle Abgeordneten auf, im Parlament zu erscheinen, um das Blutbad zu stoppen und für die Aufhebung der „antiterroristischen Aktion“ zu stimmen. Sie möchten auch die Rückkehr zur Verfassung von 2004 und den Einschnitt der präsidialen Befugnisse abstimmen.
Am 21. Februar sind weitere Tote zu vermelden. Janukovyč verspricht die Präsidentschaftswahlen noch 2014 vorzuziehen. Die Oppositionellen Klitschko, Jacenjuk und Tjahnybok, die am Vortag in Kiew angekommenen Außenminister aus Polen und Deutschland, sowie ein Vertreter des französischen Außenministeriums, unterzeichnen ein Abkommen, dass die Rückkehr zur Verfassung 2004 und die Neuwahlen vorsieht. Der russische Vertreter von Vladimir Putin ist am Vortag nach Russland zurückgekehrt. Die Verfassung von 2004 wird im Parlament verabschiedet. Die Abgeordneten stimmen für die Entlassung des Innenministers, die Freilassung von Tymošenko und weiterer politischer Gefangenen und für die Gesetzeswidrigkeit der „antiterroristischen Aktion“. Auf der Bühne von Majdan tritt Dmytro Jaroš auf, der proklamiert, dass der „Rechte Sektor“ seine Waffen erst dann niederlegt, wenn Janukovyč zurücktritt. Der Majdan stellt Janukovyč abends ein Ultimatum, bis 10 Uhr morgens zurückzutreten.
Am 22. Februar verbreiten sich die Nachrichten, dass Janukovyč zu einer Sitzung der Partei der Regionen nach Harkiv geflogen sei. Kiew wird von den Majdan-Vertretern kontrolliert. Die sogenannte „Samooborona“-Einheiten (Selbstverteidigung) öffnen die Residenz „Mežyhirja“ zunächst für Journalisten und später für Besucher auf. Dort finden die Journalisten nicht nur viele Schätze und teueren Kitsch sondern vor allem Unterlagen, die fortan auf der Website yanukovychleaks.org veröffentlicht werden und von grenzenloser Korruption und kriminellem Potential zeugen. Oleksandr Turčynov, Mitglied der Partei Batkivščyna wird zum neuen Parlamentssprecher gewählt. Arsen Awakow übernimmt das Amt des interimistischen Innenministers.
Der russische Verteidigungsminister Pawel Lebedev reist auf die Krim. Präsident Janukovyč wird abgewählt. Die Neuwahlen werden am 25. Mai 2014 stattfinden. Am 23. Februar wird Oleksandr Turčynov zum Übergangspräsidenten gewählt. Als eine der ersten Handlungen nimmt das Parlament das Sprachgesetz zurück, das die Minderheitensprachen in den bestimmten Regionen dem Ukrainischen fast gleichgesetzt werden. Der Maidankommandant Andrij Parubij meldet 82 Tote und über Tausend Verletzte zwischen dem 18. und dem 22. Februar 2014.
Am 24. Februar werden Janukovyč und einige seiner Minister bzw. Spitzenpolitiker zur Fahndung ausgeschrieben. Die Ukraine befindet sich nah am staatlichen Bankrott. Arsenij Jacenjuk gibt bekannt, dass in der Staatskasse wenige Millionen Hryvni geblieben sind und der Staat fast vollständig geplündert wurde. Die russische Regierung greift die Entscheidungen des Parlaments an und delegitimiert seine Beschlüsse. In Sevastopol finden Demonstrationen gegen den Maidan statt.
Am 25. Februar wird das Gesetz zu den vorgezogenen Wahlen der Bürgermeister für das Kiewer Stadtrat sowie für weitere Städte verabschiedet. Klitschko zieht seine Kandidatur auf den Präsidentenposten zugunsten von Petro Porošenko zurück.
Am 26. Februar spitzt sich die Lage auf der Krim zu, auf der Demonstrationen für und gegen den Maidan stattfinden. An der ukrainischen Ostgrenze beobachten die ukrainischen Politiker die Bewegungen des russischen Militärs.
Am 27. Februar wird die neue interim-Regierung mit dem Premier-Minister Arsenij Jacenjuk an der Spitze gewählt.
Am 26. Oktober 2014 fanden in der Ukraine vorgezogene Parlamentswahlen statt, für die Präsident Petro Porošenko am 25. August 2014 per Dekret den Weg freigemacht hatte. In 15 Bezirken der Gebiete Donec'k und Luhans'k sowie auf der Krim konnten die Wahlen nicht durchgeführt werden. Die Wahlbeteiligung betrug 52,42%. Gewählt wurden 450 Abgeordnete nach dem Mehrheits- und Verhältniswahlrecht. Die eine Hälfte kommt über den Parteilisten (Fünf-Prozent-Klausel) ins Parlament, die andere Hälfte über ein Direktmandat in den Wahlkreisen.
Die Wahlen wurden von 2321 internationalen Wahlbeobachtern begleitet, davon knapp 700 von der OSZE. Im Zwischenbericht stufte die OSZE die Parlamentswahlen in der Ukraine als transparent ein. Sie entsprachen demokratischen Standards, obwohl die politischen Rahmenbedingungen und die Sicherheitslage schwierig waren.
Die proeuropäischen Kräfte erzielten einen deutlichen Sieg. Als Gewinner ging der amtierende Premierminister Arsenij Jacenjuk mit seiner Partei „Narodnyj Front“ aus der Wahl hervor (22,17%), gefolgt von der Partei des amtierenden Präsidenten Porošenko (21,81%). Den dritten Platz belegte die 2012 gegründete und zum ersten Mal kandidierte Partei des Lviver Bürgermeisters Andrij Sadovyj „Samopomič“ (10,99%). Drei weitere Parteien – der „Opozycijnyj blok“ (überwiegend ehemalige Mitglieder der Partei der Regionen, sie erreichte 9,38%), die 2010 gegründete „Radikale Partei von Oleh Ljaško“ (die Partei des Rechtspopulisten Ljaško erhielt 7,44%) und die Partei von Julija Tymošenko (5,86%). Die meisten Direktmandate gewannen die Vertreter der Partei von Porošenko. Jacenjuk und Porošenko kündigten die Aufnahme von Koalitionsgesprächen an.
An der Fünf-Prozent-Hürde scheiterten die rechtspopulistische Partei „Svoboda“ und die Kommunisten, die zum ersten Mal in der Geschichte der unabhängigen Ukraine nicht mehr im Parlament vertreten sind, sowie die Partei von Serhij Tihipko „Syl'na Ukraïna“, die zuvor zur Partei der Regionen gehörte. Am 24. Juli 2015 trat in der Ukraine im Zuge der sogenannten Dekommunisierung ein Gesetz in Kraft, das Tätigkeiten aller kommunistischen Parteien verbietet.
Am 25. Mai 2014 fand in der Ukraine die vorgezogene Präsidentschaftswahl statt. Als klarer Sieger ging Petro Porošenko hervor, der mit 54,70% oder knappen zehn Millionen Wählerstimmen bereits im ersten Wahlgang die absolute Mehrheit erhielt. Die Wahlbeteiligung lag bei 59,57% (unter Nichtberücksichtigung der von Russland annektierten Krim). Den zweiten Platz erreichte Julia Tymošenko mit 12,81%. Im Osten des Landes, in den Gebieten Donec'k und Luhans'k, wurde die Wahl von den prorussischen Separatisten teilweise verhindert. Viele Wahllokale wurden bereits im Vorfeld mit Waffengewalt besetzt, verwüstet und die Wahlzettel vernichtet. Es kam zu Verschleppungen von Mitgliedern der lokalen Wahlkommissionen. Aufgrund der bedrohlichen Sicherheitslage war die Wahlbeobachtung im Osten nicht möglich. OSZE-Teams wurden für mehrere Tage festhalten.
Für alle anderen Teile des Landes stufte die OSZE die Präsidentschaftswahl als frei und weitgehend demokratisch ein. Das ukrainische Außenministerium erklärte, dass die Wahlen nach internationalen Standards durchgeführt worden sind. Bundeskanzlerin Merkel und der deutsche Außenminister Steinmeier gratulierten Petro Porošenko zum klaren Sieg.
Neben der Präsidentschaftswahl fanden auch Wahlen zu einigen Stadträten sowie Bürgermeisterwahlen statt. In Kiew gewann Vitali Klitschko mit 57,4%. Seine Partei Udar zog in den Kiewer Stadtrat mit 40% ein.
Am 28. Oktober 2012 fanden in der Ukraine Parlamentswahlen statt. Die Wahlbeteiligung betrug 58% (Vergleich 2007: 57,94%). Laut den offiziellen Ergebnissen hat die Partei „Partija rehioniv“ mit knapp über 30% die Wahl gewonnen. Den zweiten Platz belegte mit 25,42% die Partei „Bat’kivščyna“, die sich aus der Partei von Julija Tymošenko und der Partei von Arsenij Jacenjuk zusammensetzt. Den dritten und den vierten Platz mit knappen 14% bzw. 13% belegten die Partei des Boxweltmeisters Vitali Klitschko „Udar“ und die Kommunisten. Erstmals zog die nationalistische Partei „Svoboda“ mit 10,43% der Stimmen ins Parlament ein.
Durch das neue Wahlsystem, nach dem die Hälfte der Sitze über die Parteiliste und die andere Hälfte über das Mehrheitswahlrecht verteilt werden, ist die Partei der Regionen mit 185 Sitzen die stärkste Kraft. „Bat’kivščyna“ bekam 101 Sitze und für „Udar“ zogen 40 Abgeordnete in die Verhovna Rada ein. Die Kommunisten bekamen 32 Plätze und die Partei "Svoboda" kam auf 37 Plätze. 43 Plätze gingen an die Abgeordneten, die nur Wahlkreise gewonnen haben und keiner Partei angehören.
Obwohl die Wahlen relativ ruhig verliefen, waren sie nach Bewertung ausländischer Beobachter wie OSZE, UWC International Election Observation Mission, European Parliament's election observation mission sowie ukrainischer Nichtregierungsorganisationen nicht fair und entsprachen nicht den demokratischen Standards. Bereits während des Wahlkampfs wurde ein massiver Druck mit perfiden Methoden auf die Oppositionellen ausgeübt, wie beispielsweise Besuche der Steuerpolizei, Plünderung von Büros, Kauf von Nachrichten in den Medien (die sogenannte „dzhynsa“).
Die Parlamentswahlen wurden nach dem neuen Wahlgesetz durchgeführt, das 2011 verabschiedet worden war. Demnach ziehen 450 Abgeordnete in die Verhovna Rada ein: die Hälfte der Abgeordneten wurden nach den Parteilisten (bei einer Fünf-Prozent-Hürde) gewählt, die andere Hälfte kam über das Mehrheitswahlrecht ins Parlament. Die Kandidaten wurden von den Parteien aufgestellt. Obwohl im Gesetz Änderungen vorgenommen wurden, lässt es jedoch Raum für Manipulationen und entspricht nicht in Gänze allen demokratischen Standards.
Den Wahlkampf zu den Parlamentswahlen begleitete ein starker Druck auf Medien und Journalisten. In den offiziellen ukrainischen Medien war die Opposition kaum vertreten. Zu den Wahlen wurden 89 Parteien zugelassen. Noch kurz vor den Parlamentswahlen verabschiedete die Verhovna Rada einige Gesetze, die die ukrainische Gesellschaft spalten und teilweise auf großen Widerstand stoßen, wie beispielsweise das von zahlreichen Protesten begleitete Sprachgesetz. Es wurde am 3. Juli 2012 verabschiedet und sieht vor, dass Minderheiten, die mindestens 10% der Bevölkerung im jeweiligen Gebiet umfassen, Amtsgeschäfte in ihrer „regionalen“ Sprache durchführen können.
Korruption ist in der Ukraine weit verbreitet und betrifft zahlreiche Gesellschaftsbereiche, was sich negativ auf die wirtschaftliche und demokratische Entwicklungen des Landes auswirkt. 2016 befand sich die Ukraine laut der CPI-Untersuchung von Transparency International auf dem 131. Platz (von 176). Statistischen Umfragen zufolge waren bereits zwei Drittel der Ukrainer mit Korruption konfrontiert. Wirtschaftliche Korruption und vor allem politische Korruption sind ein strukturelles Problem und betreffen nicht nur die Regierung, sondern auch das Parlament insgesamt, politische Parteien, staatliche Behörden, Justiz, Polizei und lokale Verwaltungen. Nach dem Amtseintritt des Präsidenten Petro Porošenko wurden mittlerweile mehrere Gesetze zur Korruptionsbekämpfung (Antikorruptionsgesetzespaket" vom 14. Oktober 2014) verabschiedet. 2015 wurde das Nationale Antikorruptionsbüro gegründet, dessen Leiter nach einem langen Bewerbungsverfahren Artem Sytnyk wurde. Der Kampf gegen die Korruption gestaltet sich jedoch schleppend.
Die ukrainische Außenpolitik wurde seit der Unabhängigkeit 1991 unter bis dato fünf Präsidenten unterschiedlich gestaltet. Der außenpolitische Kurs des ersten Präsidenten Leonid Kravčuk (1991-94) war gekennzeichnet durch die Bewahrung der Unabhängigkeit, die Distanzierung von Russland und eine Annäherung an die USA. Darüber hinaus wurden unter Kravčuk die ersten bilateralen Abkommen zur territorialen Integrität und zu den nationalen Minderheiten unterzeichnet (Dezember 1991 mit Ungarn, Mai 1993 mit Polen und der Slowakei).
Leonid Kučmas (1994-2004) Außenpolitik wird von Politologen als "Politik des Schwankens" bezeichnet. Kučma definierte sein außenpolitisches Handeln als "Multivektorenpolitik", die darauf ausgerichtet war, die westliche Integration der Ukraine mit gut funktionierenden russisch-ukrainischen Beziehungen zu verbinden. Zwar proklamierte er die Annäherung des Landes an die EU und die NATO, jedoch folgten innenpolitisch keine ernsthaften Schritte, um diese Ziele zu erreichen.
Viktor Juščenko verfolgte hingegen eine klare außenpolitische Linie. Zu seinen Prioritäten zählten die europäische Integration und die Annäherung an die NATO. Viktor Janukovyč räumte den Beziehungen zu Russland einen hohen Stellenwert ein, jedoch kündigte zunächst an, die europäische Integration zu unterstützen. Das lang vorbereitete Assoziierungsabkommen mit der EU wurde von Janukovyč nicht unterschrieben.
Beziehungen Ukraine - EU
Die Grundlage der diplomatischen Beziehungen zwischen der Ukraine und der EU bilden das 1994 unterschriebene und 1998 ratifizierte Partnerschafts- und Kooperationsabkommen und der 2005 verabschiedete und bis 2008 gültige Aktionsplan "EU-Ukraine". Die wichtigsten Kapitel des Aktionsplanes beinhalteten die Einhaltung der Menschenrechte, die stabile politische Entwicklung, die Einführung einer funktionierenden Marktwirtschaft und einer Freihandelszone nach der Aufnahme der Ukraine in die WTO (die 2008 erfolgte) und die Anpassung der ukrainischen Gesetze an das Rechtssystem der EU. Die EU nahm 2007 mit der Ukraine Gespräche über ein erweitertes Abkommen auf (mit der Perspektive eines Assoziierungsabkommens). 2008 traten die neuen Regelungen über Visaerleichterungen und Rücknahme von sich illegal in der Ukraine aufhaltenden Personen in Kraft. Bereits 2005 hatte die Ukraine die Visumspflicht für EU-Bürger abgeschafft.
Gegenwärtig regelt die EU die Beziehungen zur Ukraine im Rahmen ihrer Nachbarschaftspolitik.
Eine Woche vor dem Dritten EU-Gipfel zur östlichen Partnerschaft, der am 28. und 29. November 2013 in Vilnius stattfand, kündigte der damalige ukrainische Präsident Janukovyč an, auf das in siebenjähriger Vorbereitung ausgehandelte und unterschriftsreife Assoziierungsabkommen mit der EU zu verzichten. Diesem Entschluss ging ein Treffen Janukovyčs mit dem russischen Präsidenten Vladimir Putin am 10. November 2013 in Moskau voraus. Da Putin die Ukraine nicht aus seiner Einflusssphäre verlieren wollte, übte er einen enormen wirtschaftlichen Druck auf die ukrainische Regierung aus, indem er beispielsweise Exporte mehrerer Produkte nach Russland stoppte. Die EU kritisierte dieses als Erpressung gewertete Vorgehen durch Putin. Janukovyč erklärte, dass die Ukraine wirtschaftlich noch nicht reif für die vertieften Handelsbeziehungen mit der EU sei. Er warf seinerseits der EU eine Erpressung vor, nachdem führenden EU-Politiker auf verstärkte Reformen des hochkorrupten Justizsystems gedrängt und die Freilassung Julia Tymošenkos verlangt hatten.
Nach dem Sturz des Janukovyč-Regimes und den vorgezogenen Präsidentschaftswahlen 2014 setzte der neu gewählte ukrainische Präsident Petro Porošenko die Annäherung an die EU fort. Am 27. Juni 2014 unterzeichnete Porošenko in Brüssel den wirtschaftlichen Teil des EU-Assoziierungsabkommens, der u.a. eine Freihandelszone vorsieht. Der politische Teil des Abkommens wurde bereits am 25. März vom Ministerpräsidenten Jacenjuk unterschrieben. Während die Ukraine und die EU den lang vorbereiteten Vertrag feierten, kamen aus Russland Drohungen mit „schweren Konsequenzen“.
Assoziierungsabkommen
Nachdem der Europäische Rat am 11. Juni 2017 einen Beschluss über den im Namen der Europäischen Union erfolgenden Abschluss des Assoziierungsabkommens mit der Ukraine angenommen hatte, konnte dieses am 1. September 2017 vollständig in Kraft treten. Es ist die der letzte Schritt eines Ratifizierungsprozesses, der mehrere Jahre andauerte. Das Assoziierungsabkommen wird die Zusammenarbeit in vielen Bereichen (Außen- und Sicherheitspolitik, Justiz, Freiheit, Sicherheit, Migration, Steuerpolitik, Verwaltung der öffentlichen Finanzen, Wissenschaft und Technologie, Bildung und Informationsgesellschaft intensivieren und verbessern. Die Ukraine verpflichtet sich, Reformen zur Liberalisierung des Handels und zur Rechtsangleichung mit dem Rechtsbesitzstand der EU auf den Weg zu bringen. Nicht vorgesehen (bzw. nur in geringem Maße) ist eine Beteiligung am europäischen Binnenmarkt. Auch wenn das Abkommen nicht überbewertet werden sollte und damit auch keinerlei Perspektive für einen EU-Beitritt der Ukraine in der Zukunft verbunden werden kann, so schafft das endgültige Inkrafttreten des Abkommens doch eine neue Realität in den Beziehungen zwischen Kyïv und Brüssel.
Visa-Befreiung (#visafree)
Am 6. April 2017 stimmte das EU-Parlament für die Abschaffung der Visa-Pflicht für ukrainische Staatsbürger bei der Einreise in die EU ab. Nach der neuen Regelung ist es ukrainischen Staatsbürgern erlaubt, in einem Zeitraum von 180 Tagen 90 Tage ohne Visum in der EU zu verbringen – z.B. für Urlaubszwecke, Verwandtschaftsbesuche oder Geschäftsreisen. Eine Erwerbstätigkeit ist nicht gestattet. Für die Einreise wird ein biometrischer Pass mit gespeichertem Fingerabdruck benötigt. Dieser neuen Regelung ging ein Visadialog zwischen der EU und der Ukraine voraus, der seit 2013 andauerte. Während dieses Dialogs war es bereits zu Veränderungen und Erleichterungen bei der Beantragungs- und Ausgabepraxis für Kurzzeitvisa gekommen. Am 11 Mai 2017 bestätigte der Ministerrat der EU das Abkommen zur Visaliberalisierung, das am 11. Juni 2017 in Kraft trat. Nach Meinung des ukrainischen Präsidenten Petro Porošenko sei dieser Schritt ein „endgültiger Ausstieg unseres Landes aus dem Russischen Reich und seine Wiederkehr in die Familie der europäischen Nationen in die Geschichte eingehen“.
Beziehungen Ukraine - NATO
Die NATO-Ukraine-Charta, die 1997 unterschrieben worden war, regelt die Beziehungen zwischen der NATO und der Ukraine. Danach verpflichtet sich die Ukraine als einziges Nicht-Mitglied an militärischen Operationen der NATO teilzunehmen, die mit Mandat der UNO oder der OSZE durchgeführt werden. Die NATO ihrerseits unterstützt die Ukraine bei der Reformierung ihrer Streitkräfte.
Strebte noch die Ukraine unter Präsidentschaft von Viktor Juščenko die Mitgliedschaft in der NATO an, sind diese Ziele unter Janukovyč zweitrangig geworden. Auf dem NATO-Gipfel 2008 wurde der Ukraine allerdings ein Mitgliedschaftsaktionplan, eine Vorstufe vor dem Beitritt, verwährt. Vor allem Deutschland, die Niederlande, Frankreich und Spanien sprachen sich vor dem Hintergrund der Beziehungen zu Russland gegen eine baldige Aufnahme der Ukraine in die Nordallianz aus.
Das ukrainische Parlament erklärte am 8. Juni 2017 den Beitritt zur NATO zum Ziel der Außenpolitik. Im März 2018 bekam die Ukraine den Status eines Beitrittskandidaten in die NATO.
Beziehungen Ukraine – Russland
Die außenpolitischen Beziehungen zu Russland gestalteten sich seit der ukrainischen Unabhängigkeit 1991 schwierig. Die Hauptstreitpunkte zwischen den beiden Ländern stellten nach dem Zerfall der Sowjetunion die Aufteilung der Schwarzmeerflotte, der Status der Halbinsel Krim und der Stadt Sevastopol und die Gasschulden dar. Durch den "Vertrag über Freundschaft, Zusammenarbeit und Partnerschaft", in dem Russland die Ukraine als einen unabhängigen Staat anerkannte, das "Abkommen über die Schwarzmeerflotte" 1997 und den "Vertrag über die wirtschaftliche Zusammenarbeit" 1998 wurden die Streitigkeiten und territoriale Ansprüche Russlands geregelt. Die russische Schwarzmeerflotte, die drei Buchten von Sevastopol pachtet, darf auf der Krim laut dem Abkommen von bis 2017 stationiert verbleiben.
Nach der Orangenen Revolution 2004 und dem Sieg des oppositionellen Präsidenschaftskandidaten Viktor Juščenko verschlechterten sich die Beziehungen zu Russland erneut. Der damalige russische Präsident Vladimir Putin unterstützte offen den Kandidaten Viktor Janukovyč, der die Wahlen massiv zu seinen Gunsten fälschen ließ. Nach den friedlichen Protesten gegen die Wahlfälschungen und der Wiederholung des Wahlvorgangs wurde der prowestliche Juščenko als Präsident gewählt. Vor allem das Streben Juščenkos in die NATO und die Annäherung an den Westen stießen auf großes Misstrauen beim östlichen Nachbarn. So versuchte Russland mit der Erhöhung von Gaspreisen und dem dadurch ausgelösten Gasstreit 2006 auf die Ukraine politischen Druck auszuüben. Anfang 2009 kam es erneut zu einer Auseinandersetzung um Gaslieferungen und -preise zwischen beiden Ländern.
Nach dem Amtseintritt Janukovyčs sah es zwischenzeitlich nach einem Ende der sogenannten „Mehrvektorenpolitik“ bzw. „Pendelpolitik“ der ukrainischen Spitzenpolitiker aus, die sich lange Zeit nicht für eine außenpolitische Richtung zwischen der EU und Russland entscheiden mochten. Janukovyč und seine Regierungsbeamten äußerten vehement ihre Bereitschaft, ein Assoziierungsabkommen mit der EU zu unterschreiben und nicht der Zollunion mit Russland, Belarus und Kasachstan beizutreten, auch wenn Janukovyč stets betonte, dass die Beziehungen zum russischen Nachbarn von strategischer Bedeutung seien.
In den letzten Monaten vor dem Vilnius-Gipfel zur östlichen Partnerschaft erhöhte die russische Regierung spürbar den Druck auf die Ukraine, was auf heftige Kritik der EU stieß. So verhängte die russische Regierung beispielsweise ein Einführungsverbot für die Produkte der größte Süßwarenfabrik in der Ukraine „Roshen“, drohte mit der Einführung der Visumspflicht, verschärfte die Grenzkontrollen, so dass sich kilometerlange Lkw-Schlangen bildeten, und verbreitete vor allem in den Medien Katastrophenszenarien zum staatlichen Bankrott bzw. dem wirtschaftlichen Untergang der Ukraine.
Nach der Nicht-Unterzeichnung des Assoziierungsabkommens folgten heftige Proteste vieler ukrainischer Bürger und es entstand die sogenannte Bewegung Euromaidan, an der sich über 200.000 Menschen in Kiew und Millionen im ganzen Land beteiligten. Die Forderung nach der Mitgestaltung der zukünftigen Entwicklung der Ukraine und nach Einhaltung demokratischer Grundrechte machte deutlich, dass die Ukraine heute über eine lebendige Zivilgesellschaft verfügt. Im Verlauf der Protestbewegung kam es zu mehreren Treffen zwischen Janukovyč und Putin, die am 17. Dezember 2013 zu einigen Abkommen führten. So sollte Russland der Ukraine ein 15 Mrd. US-Dollar-Kredit und ein Gaspreissenkung von 290 Euro auf 195 Euro gewähren, wobei der Gaspreis vierteljährlich einer Anpassung unterzogen werden sollte. Nach dem Regimewechsel in der Ukraine und der Flucht von Janukovyč erhöhte Russland erneut die Gaspreise.
Die Krim-Krise
Das ukrainische Parlament beschloss am 23. Februar 2014 das unter Janukovyč verabschiedete Sprachgesetz, durch das die Regionalsprachen in den Status der Amtssprache erhoben hatten, zurückzunehmen. Die Verabschiedung dieses Gesetzes bedeutete die Rückkehr zum Ukrainischen als einziger Amtssprache, wie es bereits vor 2012 der Fall war. Gegen das Gesetz legte der Übergangspräsident Turčynov sein Veto ein. Am 27. Februar stürmten prorussische „Selbstverteidigungskräfte“ das Parlament auf der Krim, stürzten den amtierenden Ministerpräsidenten und ernannten in einer nicht öffentlichen Sitzung Sergei Aksenov, der in der Vergangenheit mit kriminellen Banden in Verbindung gebracht worden war und seit 2010 als Parteiführer der „Russkoe edinstvo“ (Russische Einheit) amtiert, zum neuen Ministerpräsidenten der Krim. Die neue Macht bat umgehend den russischen Präsidenten Putin um Schutz der russischen Bevölkerung und verlangte ein Referendum zur Krim-Zugehörigkeit. Bereits Ende Februar wurde die Krim von bewaffneten Soldaten ohne Hoheitszeichen besetzt. Sie okkupierten nach und nach mehrere Verwaltungsgebäude, Flughäfen und griffen ukrainische Militärstützpunkte an. Nach dem mehrfach vorgezogenen Referendum am 16. März 2014 unterzeichnete Putin den Anschluss der Krim an Russland. In einer „offenen“ Fragestunde gab er die militärische Präsenz Russlands auf der Krim vor dem Anschluss zu. Die völkerrechtswidrige Annexion der Krim wurde von einer Vielzahl an Staaten und internationalen Institutionen wie der UNO oder dem Europarat verurteilt und löste eine Reihe von Sanktionen aus, die Russland nicht nur politisch isolieren, sondern auch wirtschaftlich erheblich schwächen.
Laut unterschiedlichen Schätzungen arbeiten zwischen 3 Mio. und 7 Mio. Ukrainer legal und illegal im Ausland. Die Gründe für die Emigration liegen vor allem in der schwierigen wirtschaftlichen Lage des Landes. Die Arbeitslosenrate ist seit der Annexion der Krim und des Kriegs im Donbas stark gestiegen. Eine besonders schwierige Lage entstand nach dem Zerfall der Sowjetunion. Auf der Suche nach neuen Jobs verließen viele Ukrainer im arbeitsfähigen Alter das Land. Die beliebtesten Länder der ukrainischen Arbeitsmigranten sind vor allem alte (Spanien, Italien, Portugal und Griechenland) und neue (Tschechien, Polen und die Slowakei) EU-Länder und Russland. Die Arbeitsmigration führte zu starken Veränderungen der ukrainischen Sozialstruktur. Da der Großteil der Migranten Frauen sind (ca. zwei Drittel), die über mehrere Jahre im Ausland bleiben, zerfallen viele Familien. Kinder wachsen häufig bei den Großeltern auf. Eine besonders prekäre Lage herrscht in den ländlichen Gebieten, wo es noch schwieriger ist, eine Arbeit zu finden. Die Arbeitsmigration veränderte ebenfalls die Sozialstruktur des Dorfes, so dass oftmals nur ältere Menschen und Kinder auf den Straßen zu sehen sind.
Im Länderinformationsportal (LIPortal) geben ausgewiesene Landesexpertinnen und Landesexperten eine Einführung in eines von ca. 80 verschiedenen Ländern. Das LIPortal wird kontinuierlich betreut und gibt Orientierung zu Länderinformationen im WorldWideWeb. mehr
Diese Länderseite wurde zum letzten Mal im März 2018 aktualisiert.
Kateryna Stetsevych ist Osteuropawissenschaftlerin und Kulturmanagerin. Seit 2008 ist sie als Landestrainerin für die Ukraine bei der Akademie für Internationale Zusammenarbeit (AIZ) der GIZ GmbH tätig. Nebenberuflich arbeitet sie im Fortbildungsbereich verschiedener deutscher Kulturmittlerorganisationen.
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